Kinderängste

Letztes Update:

April 6, 2022
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Lesezeit: 12 Minuten

Möge die Macht mit dir sein
Vom Sinn und Unsinn der Machtkämpfe mit Kindern 


Der Mächtigste

Langsam und bedächtig stand er auf.
Dabei hatte sich seine Mutter
doch nur mit einer kleinen Forderung an ihn gewandt.
Die Zornesröte stieg ihm ins Gesicht.
Hatte sie es immer noch nicht verstanden?
Er hasste es, sich von ihr bevormundet zu fühlen.
Er hasste es, sich bei jeder Forderung wie ein kleines Kind zu fühlen.
Unwillkürlich ballten sich seine Hände zu Fäusten.
Es reichte ihm nun ein für alle mal.
Nie mehr würde er zulassen, 
was sie von ihm forderte.
Nie mehr.

Wir schreiben das Jahr 59 n. Chr.

Kaiser Nero hasste, es unter der Kontrolle seiner Mutter zu stehen 
und ließ sie am 23. März ermorden.

Zum Glück enden nicht alle Machtkämpfe auf diese Art 😉
und doch können wir aus dieser kleinen Geschichte lernen, 
um was es bei Machtkämpfen häufig geht.

Alle Eltern kennen Machtkämpfe und doch gibt es Familien, in denen Machtkämpfe zum häufigen Kommunikationsmuster werden. Und dann wird es Zeit zu handeln.

Ursachen der Machtkämpfe mit Kindern

Häufig geht es bei ausufernden Machtkämpfen nämlich überhaupt nicht um den Inhalt.
Machtkämpfe um Kleinigkeiten handeln von etwas viel Größerem und Wichtigerem.
Es geht nicht um Länger-Aufbleiben, um Kürzer-Lernen, um Gummibärchen oder ums Recht-Haben.

Es geht um einen geringen Selbstwert. Manchmal hat das Kind das geringe Selbstwertgefühl, manchmal der Erwachsene, manchmal auch beide. 
Nero fühlte sich von seiner Mutter Agrippina wie ein kleines Kind behandelt und dagegen meinte er, sich zur Wehr setzen zu müssen.
Bei Kindern in Machtkämpfen ist das oft nichts anderes. Sie fühlen sich klein behandelt, wenn ihnen gesagt wird, was sie zu tun haben und reagieren mit einer Vorwärtsverteidigung. Auch Eltern, die sich in ihrem Selbstwert als Eltern bedroht fühlen, reagieren mit diesem Kontrollwunsch über das Kind. Wer die Macht hat, kann sich besser fühlen. Wer sich unterworfen fühlt, fühlt sich klein und wertlos.

Dabei definiert sich unser Wert als Eltern keinen Deut weit dadurch, ob wir es schaffen unser Kind zu kontrollieren. 

Der gesunde Wunsch

Der gesunde Wunsch hinter den Machtkämpfen ist nichts anderes als der Wunsch nach Wirkmächtigkeit. Das Kind will wirkmächtig sein - über sich selbst oder auch wirkmächtig über Mama, Papa und Lehrer: Es bewirkt mit seinen Verhalten im Anderen eine Reaktion und kann sich dadurch als stark und wirkmächtig erleben. 

Genauso wollen sich Mutter und Vater als wirkmächtig erleben. Nach dem Motto: "Wenn ich bewirke, dass mein Kind dies oder jenes macht, dann habe ich es gut erzogen. Folglich bin ich dann ein guter Erzieher. Folglich bin ich dann eine gute Mutter, ein guter Vater."

Um das eigene Ohnmachts-Gefühl abzuwehren, wird um die Macht gekämpft.


Die Wahl der Waffen

Dabei haben beide ihre eigene "Waffenkammer" zur Verfügung:

Argumentieren, Diskutieren, Schimpfen, Brüllen, Drohen und Strafen auf Seiten der Eltern.
Argumentieren, Diskutieren, Schimpfen, Brüllen, Drohen und Strafen auf Seiten des Kindes.

Unfair wird es schließlich für Eltern, denn Kinder haben in der Regel eine Waffe mehr:
Kinder können am Ende jeder Strafe sagen: "Mir doch egal.", womit sie rein machtkampf-technisch wieder die Oberhand haben.

Schlecht ist es, wenn Eltern dann noch mal  eins drauf setzen und ihre Macht und Stärke als Erwachsene missbrauchen.

Machtmissbrauch

Jede Form von Gewalt oder Zwang ist Machtmissbrauch und beschädigt das Kind nachhaltig. Dazu gehören auch Drohen mit Liebesentzug, Beschämung, Drohung mit körperlicher Gewalt und tatsächliche körperliche oder verbale Gewalt.

Doch wie können wir als Eltern damit umgehen, wenn wir merken, dass wir in die Machtkampffalle geraten? 


Der Weg aus dem Dilemma

Zwei Punkte sind aus meiner Sicht wichtig, um aus der Machtkampffalle wieder herauszufinden:

Punkt 1: Dein Wert als Mutter oder als Vater ist nicht davon abhängig, dass du dein Kind dazu bringst, etwas Bestimmtes zu machen. Du bist dann eine gute Mutter, ein guter Vater, wenn du dein Kind dazu begleitest, groß werden zu können.
Wir als Eltern sind die Begleiter unserer Kinder. Dazu kann gehören, dass wir einen haltgebenden Rahmen schaffen, dass wir unser Kind motivieren, ja, dass wir auch Konsequenzen durchführen, aber nicht, dass wir über unser Kind in Kleinigkeiten bestimmen müssen.

Punkt 2: Schaffe einen hilfreichen Rahmen. Wir haben immer drei Zeitpunkte zu denen wir handeln können, um unser Kind zu sinnvollem Verhalten zu fördern: 
1. Im Vorhinein
2. In der Situation selbst
3. Im Nachhinein
Das Handeln und Rahmensetzen im Vorhinein wird leider oft in seiner Kraft unterschätzt. Stattdessen kommt es zum Konflikt und im Nachhinein soll die Konsequenz wieder alles richten. Das ist oft zu spät. Sinnvoller wäre es, bestimmte Konfliktsituationen von vornherein zu klären. Und zwar so zu klären, dass beide Seiten wissen, was auch die Konsequenz im Nachhinein wäre.

Ein Beispiel?

Das Kind hat es sich angewöhnt mit seinen Straßenschuhen in die Wohnung bis ins Wohnzimmer zu stiefeln. Die Eltern handeln im Vorhinein, wenn sie in einer ruhigen Minute den Rahmen setzen: "Uns ist es wichtig, dass du deine Schuhe sofort im Flur ausziehst." Das Kind versucht zu argumentieren, dass es nach der Schule, müde ist und nicht gleich drandenkt und überhaupt und so weiter. Vielleicht findet es sogar Gründe warum es Straßenschuhe in der Wohnung tragen sollte.
Dies ist für das Ziel der Eltern überhaupt nicht wichtig, also gehen sie auch auf keines der Argumente ein, sondern wiederholen nur ihre Forderung. "Uns ist es wichtig, dass du deine Schuhe gleich hinter der Tür ausziehst. Was machen wir denn, wenn du es nicht machst? Ich wäre dafür, dass du dann den Boden im Flur, Esszimmer und Wohnzimmer wischst." Ruhig und klar ausgesprochen geben die Sätze der Eltern Klarheit für das Kind. Es weiß, was es zu erwarten hat, wenn es sich entscheidet, die Schuhe nicht auszuziehen.

Möge die Macht mit dir sein

Lass uns lieber für hier das englische Original verwenden:
May the force be with you.

Ganz im Sinne der Jedi aus Star Wars wünsche ich dir nun NICHT,
dass du Macht über dein Kind suchst.
Ich wünsche dir, dass du die Kraft hast,
deinem Kind einen haltgebenden Rahmen mitzugeben.
Dann kann es daran wachsen und sich entwickeln.

Herzliche Grüße,


Dein Stefan Hetterich

P.S. Genauere Informationen zu diesem Thema findest du in Modul 4 meines Onlinekurses "Umgang mit Konzentrationsschwierigkeiten".


Als Psychologe und Kinder- und Jugendlichen-psychotherapeut begleite ich seit 18 Jahren Eltern, Kinder und Jugendliche in und durch psychische Krisen.
Alle psychischen Probleme entstehen aus (meist unbewussten) Gründen. Je mehr wir über diese Ursachen wissen, umso leichter finden wir auch hilfreiche Wege, damit umzugehen.
Denn: Verständnis ist der Schlüssel zur Veränderung.

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